Lotte

Vor einem Land in einem fremden Kontinent, das auf der anderen Seite der Erde liegt und eine komplett andere Lebensweise hat, als ich es gewohnt bin, habe ich schon immer Respekt gehabt. Beim Reisen ist es immer eine grosse Sache, sich in die Kultur und Lebensart des fremden Landes einzulesen, doch nichts kann einen vollkommen auf die Realität dort vorbereiten. Man lernt die Kultur vor Ort aus einem völlig anderen Blickwinkel kennen, nämlich genau so, wie sie von den Einwohnern ausgelebt wird. Ich kam nach Ecuador und war sofort völlig überwältigt von allem, was ich sah. Stände an jeder Ecke auf allen Strassen, Einheimische in traditioneller Kleidung, welche dort nie ihren Wert verloren hat, Essensmärkte, wo man sich an jedem Lebensmittel nur so sattsehen kann, liebende Menschen, die einen aufnehmen, als wäre man einer ihrer Leute, faszinierende Natur so weit das Auge reicht. Eine nicht enden wollende Liste.

Während meines vierwöchigen Aufenthaltes in Cuenca habe ich vielen Einheimischen in verschiedenen Weisen helfen dürfen. Darunter Waisenkindern, welchen ich Englisch beigebracht habe und Kindern im Krankenhaus, denen ich versucht habe, die abwechslungslose Zeit im Krankenbett etwas erträglicher zu machen. Letztendlich auch den bei der Fundacion Avanzar arbeitenden Damen, denen ich grundlegende Englischkenntnisse vermitteln durfte, um ihnen in der Zukunft Unterhaltungen mit ihren englischsprachigen Kunden zu ermöglichen. Ich habe noch nie zuvor die Erfahrung gemacht, einer Gruppe von Leuten etwas beizubringen, schon gar nicht in einer Sprache, die ich nicht fliessend sprechen kann, und trotzdem hätte ich mir das Erlebnis in Cuenca nicht besser vorstellen können. Trotz unserer kleinen Sprachbarriere gelang es mir, mit den Kindern und Damen sogar eine Art Freundschaft zu schliessen, was jeden Unterricht zu einem neuen Abenteuer machte. Es war wichtig, mit ihnen eine gute Beziehung aufzubauen, weil ich so ihr volles Vertrauen kriegen konnte und die Stunden auf viel mehr Spass als Ernst basierten, wodurch das Lernen oftmals viel einfacher fällt.

Vor allem bei den Waisenkindern war dies ein wichtiger Schritt, da diese in ihrer Kindheit schon genug traumatisierende Erlebnisse hatten. Nach einigen Besuchen im Waisenhaus merkte ich, dass die Mädchen sich mir immer mehr öffnen konnten, ich wurde mit Umarmungen, Bewunderung und Lachen begrüsst, in den Pausen habe ich zusammen mit ihnen auf dem Gras gesessen, es wurde gegessen und gelacht, als wären alle Sorgen verschwunden. Mir gefiel diese Atmosphäre, weil es schien, als könnten die Mädchen in diesen Momenten mit mir alles andere vergessen und erleben, wie ähnlich wir Menschen – trotz total unterschiedlichem Hintergrund – uns eigentlich sind. Gemeinsame Interessen, Hobbies sowie Lieblingsfilme oder Lieblingsschauspieler wurden gefunden, man hat sich gegenseitig aufgezogen und wir lachten sogar miteinander, als wären wir enge Freunde. Da die Kinder kein Englisch sprechen konnten, nutzte ich diese entspannte Atmosphäre, um ihnen Englisch ab und zu auf eine andere Weise beizubringen und nicht immer nur im Klassenzimmer an der Tafel. Wollten die Mädchen wissen, was ein Wort auf Englisch heisst, liess ich sie es im richtigen Kontext wiederholen und aufschreiben, denn meiner Meinung nach ist dies die beste Weise, eine Fremdsprache zu lernen, nämlich durch konstante Anwendung und Wiederholung.

In der Fundacion war der Unterricht ein ganz anderer, da der Umgang mit älteren Personen beim Erlernen einer Sprache natürlich ein ganz anderer sein muss. Es machte jedoch viel Spass und Freude zu sehen, wie sehr sich die Damen bemühten, alles beigebrachte auswendig zu lernen und direkt anzuwenden. Ihre Fortschritte waren schon nach nur wenigen Lektionen deutlich erkennbar, was ihnen, wie ich bemerkte, sehr viel Motivation gab, noch mehr Mühe für das Lernen aufzubringen. 

Im Vicente Corral Krankenhaus arbeitete ich zusammen mit Kathy, einer Studentin an der Universität in Cuenca, wodurch die Kommunikation zu den Kindern und deren Familien um einiges leichter war. Diese direkte Schnittstelle zu Familien, die oftmals viele Probleme und Sorgen hatten, hat mir erneut die Augen in vieler Art und Weise geöffnet. Ich habe so viel neues Wissen aus diesen vier Wochen mitnehmen können, welches mir mein Leben lang bleiben wird, und ich bin unglaublich dankbar dafür, dass ich dank Margarita und der Fundacion Avanzar dieses einzigartige Erlebnis machen durfte. Auch die riesige Gastfreundlichkeit meiner Gastfamilie hat den Aufenthalt zu etwas extrem Speziellen gemacht und ich kann definitiv bekräftigen, dass ich dieses Abenteuer niemals vergessen werde. 

Previous
Previous

Geraldine Beaud

Next
Next

Corinne Gmür